OECONOMEN-Jahresausflug am 07.07.2012
„Weil der Stadt“ - Keplerstadt im Herzen des Heckengäus
Die Akademie-Verbindung OECONOMICA hatte zum Jahresausflug 2012 eingeladen und 28 Damen und Herren, Gäste, FBFB und BBBB hatten sich angemeldet.
Umweltbewusst ließen wir uns von der S-Bahn (S6) nach „Weil der Stadt“ bringen. Am Bahnsteig warteten bereits BB Gerd Bader v/Luchs und seine Frau Ilse sowie FB Ekkehard Adami v/Gandhi mit Gudrun auf uns. Und plötzlich standen BB Herbert Holtze v/Crash und seine Ute vor uns. Sie waren extra aus Wolfsburg gekommen, um uns zu überraschen und das ist ihnen wahrlich gelungen.
Vor dem Bahnhof empfing uns Herr Buhl, ein sehr netter und kompetenter Stadtführer, der in Weil der Stadt geboren und aufgewachsen ist und viele persönliche Eindrücke zum Besten geben konnte. Er führte uns zu einem kleinen Park, wo unser BB Hans Hübner v/Probus und seine liebe Frau Marija die Mannschaft mit Sekt und frischen Brezeln verwöhnten.
So gestärkt schlüpften wir durch eine schmale Öffnung in der dicken Stadtmauer in die historische Altstadt und standen vor dem „Klösterle“, einem ehemaligen Kapuzinerkloster, gegründet im Jahre 1640 und 1810 aufgelöst. Die alte Klosterpforte mit Original Sprechgitter blieb erhalten. Das Gebäude wurde gründlich saniert und dient heute für kulturelle Veranstaltungen. Ein paar Schritte weiter befindet sich das ehemalige Augustinerkloster, das bereits 1294 gegründet und 1803 im Zuge der Säkularisation auf Befehl Napoleons aufgelöst wurde. Im früheren Klosterhof konnten wir den Marienbrunnen betrachten, der 1954 von dem Künstler Jokarl Huber geschaffen wurde. Überhaupt ist „Weil der Stadt“ auch eine Stadt der Brunnen, wie wir später noch sehen werden.
Herr Boll führte unsere Gruppe durch die Straßen und Gässchen der Stadt und wir besichtigten die kath. Stadtkirche St. Peter und Paul. Das Gotteshaus ist eine spätgotische Hallenkirche, erbaut ca. 1492/1512, mit spätromanischen Osttürmen aus dem 13. Jahrhundert. Die Kirche birgt zahlreiche bedeutende Kunstschätze, wie z.B. eine spätgotische Kreuzigungsgruppe aus einer Ulmer Schule um 1460/1470, ein sehr schönes Renaissance-Sakramentshäuschen von Georg Miler um 1611, einen barocken Hochaltar aus dem Jahr 1700 und eine Rokoko-Kanzel von 1742. Besonders aufgefallen ist uns ein Glasfenster, auf dem der Satan als Hitler dargestellt ist. Der Künstler Jokarl Huber hat es 1940 geschaffen und löste damit mehrere Untersuchungen durch die Gestapo aus. Die „Weil der Städter-Bürger“ aber waren clever und schwärzten die Stellen mit Ruß ein, so dass die Polizei zum Glück unverrichteter Dinge wieder abzog.
Auf unserem Rundgang kamen wir nun zum Marktplatz, dem Mittelpunkt der historischen Altstadt. Bereits im Jahre 1075 wurde ein alamannisches Dorf „Wile“ (von röm. „Villa“ heißt Gutshof) im Besitz der Grafen von Calw und des Klosters Hirsau erstmals urkundlich erwähnt. Der Stauferkaiser Friedrich II. gründete um 1241 die „Statt Weil“ an der Stelle dieses Dorfes. Im Jahr 1275 erhob König Rudolf I. von Habsburg „Weil“ zur freien „Reichsstatt Weyl“. Damit war die „Stadtrepublik“ unabhängig und direkt dem Kaiser unterstellt. Sie musste sich aber immer gegen den mächtigen Nachbarn, das Herzogtum Württemberg, wehren und deshalb umgibt zum Schutz gegen die Feinde bis heute eine mächtige Stadtmauer mit Wehrgang die Altstadt. Mit Stolz führt „Weil der Stadt“ in seinem Wappen den Reichsadler und das Hoheitszeichen „SPQR“ (Senatus Populusque Romanus = Senat und Volk von Rom) als Zeichen der Unabhängigkeit. An der Südfassade des wuchtigen Rathauses mit den Rundbögen kann das Stadtwappen bewundert werden. Die Bezeichnung „Weil der Stadt“ wurde übrigens erst im Jahr 1862 verbindlich vom Gemeinderat festgelegt.
Der Marktplatz ist umgeben von markanten Fachwerk- und Steinhäusern. Die meisten Häuser der Altstadt fielen im Jahr 1648 einem verheerenden Stadtbrand zum Opfer. Manche widerstanden jedoch den Flammen, wie z.B. das „Alte Rathaus“, ein mittelalterliches Steinhaus, das dem einstigen Ortsadel als Sitz diente, von der Stadt 1479 gekauft wurde und später als Gerichts- und Rathaus diente. Auf dem Marktplatz herrschte geschäftiges Markttreiben. Unser Stadtführer lenkte unsere Aufmerksamkeit auf zwei Brunnen aus dem typischen roten Sandstein, aus dem auch die Stadtkirche erbaut wurde. Der „Obere Markbrunnen“ wurde 1537 errichtet. Auf ihm steht die Abbildung eines Wappenhalters mit den reichsstädtischen Hoheitszeichen – Reichsadler und dem goldenes Vlies, dem habsburgischen Hausorden. Bei der Figur soll es sich um Kaiser Karl V. handeln. Aufgefallen ist uns vor allem das „lustige Gewand“ entsprechend der damaligen Zeit, das der Kaiser trug. Der Untere Marktbrunnen trägt einen Löwen mit Adlerschild als Hoheitszeichen der Freien Reichsstadt. Zwischen den beiden Marktbrunnen steht das Kepler-Denkmal zu Ehren des berühmten Astronomen und Mathematikers Johannes Kepler, der am 27.12.1571 in Weil der Stadt geboren wurde. Doch davon werden wir im Anschluss an unsere Führung durch das Kepler-Museum im Kepler-Haus neben dem Rathaus mehr erfahren. Auf unserem Rundgang schlenderten wir weiter zum Narrenbrunnen auf dem sogenannten Speidelsberg. Der Brunnen zeigt die typischen Figuren der Weil der Städter - Fasnet. Er wurde 1986 von dem Kunstschmied Gerhard Längerer geschaffen und ist eine Stiftung der Narrenzunft AHA, die in Weil der Stadt zu Hause ist. Unser nächstes Ziel war die eindrucksvolle Stadtmauer mit Wehrgang und den mächtigen Türmen. Der Storchenturm war früher ein wichtiger Wachtturm, später wohnten in ihm die „Armen Leute“. Der Rote Turm wurde auch Diebs-Turm genannt. In seinen dicken Mauern aus dem 15. Jahrhundert war das Stadtgefängnis untergebracht. Herr Boll führte uns in das schaurige Verlies und erzählte von dem Martyrium der Gefangenen und von Hexenverbrennungen. Sehr bekannt ist die Geschichte von Katharina Kepler, der Mutter von Johannes Kepler, die ebenfalls als Hexe angeklagt wurde. Nur mit Hilfe ihres berühmten Sohnes konnte sie dem Scheiterhaufen entkommen. Nach soviel „blutigen“ Geschichten waren wir froh, dass wir am ehemaligen städtischen Spital vorbei in die Gerbergasse gelangten. An der Rückfront eines ehemaligen Gerberhauses aus der Zeit noch vor dem großen Stadtbrand im Jahr 1648 erblickten wir eine südländisch anmutende Holzveranda, die damals von den Gerbern zum Trocknen der Häute benutzt wurde. Teile der wehrhaften Stadtbefestigung mit Rabenturm und Seilerturm (dieser war früher auch ein Gefängnis) waren unsere nächsten Stationen. Wir gingen weiter zum „Brenzhaus“, dem Geburtshaus des großen protestantischen Theologen und württembergischen Reformators Johannes Brenz. Er wurde am 24.6.1499 in Weil der Stadt geboren und war einer der wichtigsten Schüler von Martin Luther. Er predigte in Schwäbisch Hall und als Probst an der Stiftskirche in Stuttgart und war unter Herzog Christoph maßgeblich an der Gestaltung der ev. Landeskirche in Württemberg beteiligt. Er starb am 11. Sept. 1570 in Stuttgart und wurde in der Stiftskirche unter der Kanzel beigesetzt. Unsere Stadtführung war hier zu Ende und wir verabschiedeten uns mit Beifall von Herrn Boll, der uns so viel Interessantes von Menschen und Gebäuden der historischen Altstadt erzählt hatte.
Ein Mitglied der Narrenzunft „AHA“ lud uns zu einem Rundgang durch das Narren-Museum ein. Wir erfuhren viel Interessantes über die Weiler Fasnet. Wer wusste schon, dass sich bereits um das Jahr 1550 ein Pfarrer in der „Reichsstatt Weyl“ über die hohen Kosten der „Fastnachtsküchlein“ beschwert hatte, die er spendieren musste. Oder dass im Jahr 1625 vier Bürger aus „Weil“ wegen „muthwilliger Mummerey“ ins Turmverlies gesperrt wurden. 1783 verbietet der Rat der Stadt das „Masque Laufen“, weil daraus „Unheil und Ausgelassenheit“ entstehen könnte. Wahrlich keine „schalkhaften“ Zeiten. Erst im 19. Jahrhundert setzte sich langsam die Fasnet durch.
Nach dem 2. Weltkrieg wurden dann Fasnets-Umzüge veranstaltet und 1957 wurden die „Weiler Hexen“ als erste schwäbisch-alemannische Maskengruppe in Weil der Stadt gegründet.
Im Narrenmuseum konnten wir zahlreiche Masken und Figuren der „Weiler Fasnet“ bewundern und wir bekamen eine kleine Ahnung, wie ausgelassen und aufwendig in Weil der Stadt die Fasnet gefeiert wird. Herzlichen Dank an die Mitglieder der Narrenzunft „AHA“.
So langsam hatten wir Hunger bekommen und wir machten uns auf den Weg zum Restaurant Krone-Post, wo ein schmackhaftes Mittagsmahl auf uns wartete. Frau Behlke, die Wirtin, war so freundlich und machte uns darauf aufmerksam, dass das Tagesessen ein „Rostbraten mit Bratkartoffeln für EURO 11,50“ ist und damit fiel für die meisten die Wahl nicht schwer. Aber auch viele andere wohlschmeckenden Speisen standen auf der Speisekarte, so dass alle „papp-satt“ wurden.
Wir gingen die paar Schritte über den Markplatz hinauf zum „Kepler-Haus“, wo wir schon erwartet wurden. Hier in diesem schön restaurierten Fachwerkhaus wurde 1571 der berühmte Astronom und Mathematiker Johannes Kepler, der große Sohn von Weil der Stadt, geboren. Johannes Kepler war ein genialer Forscher auf dem Gebiet der Astronomie, der Optik, der Mathematik und der Musiktheorie. Zusammen mit Galileo Galilei und anderen Gelehrten hat er Anfang des 17. Jahrhunderts die neuzeitliche Naturwissenschaft begründet. Er hinterließ ein Werk von enormer wissenschaftlicher Vielfalt. Seine Erkenntnisse bildeten das Fundament für Generationen von Forschern. Kepler befasste sich z.B. schon damals mit der Frage, wie Menschen zum Mond gelangen könnten. Er erfand das astronomische Fernrohr, das noch heute seinen Namen trägt und er konstruierte eine Zahnradpumpe, die bis in unsere Zeit in unendlich vielen Maschinen Verwendung findet. Frau Schramm, unsere Begleiterin durch das Kepler-Museum, erklärte uns mit großem Eifer und eindrucksvollem Wissen die vielen Exponate und Schautafeln, die Auskunft über den Werdegang und die Lebensgeschichte von Johannes Kepler geben. Zum Abschluss ging sie mit uns zum Kepler-Denkmal auf dem Marktplatz. Es wurde im Jahr 1870 errichtet und zeigt die Statuen von Nikolaus Kopernikus (Astronom), Michael Mästlin (Professor der Mathematik und Astronomie, Lehrer Keplers in Tübingen), Tycho Brahe (dän. Astronom in Prag) und Jobst Bürgl (Uhrmacher am Prager Hof). Auf den Reliefs sieht man die Urania, die Muse der Astronomie, und Szenen aus dem Leben von Johannes Kepler.
Angefüllt mit soviel Wissen machten wir noch einen kleinen Rundgang um die westliche Altstadt, schritten durch das „Judentor“, dem einzigen erhaltenen Stadttor, und gingen weiter zum „Antoniustor“ in der Besengasse, das aus Fragmenten des ursprünglichen Stuttgarter Bahnhofs von 1926 errichtet wurde. Wir schlenderten durch die Gassen und kamen zum Cafe Renz in der Unteren Klostergasse. Ein Teil unserer Gruppe hatte bereits Platz genommen und fast alle wollten an diesem sonnigen Nachmittag ihren Kaffee und den herrlichen Kuchen draußen genießen. So entging den meisten, welch tolles Ambiente das Cafe Renz zu bieten hat. Samtweiche gemütliche Bänke und kuschelige Sitzecken im „Cafehaus-Stil“ laden zum träumen ein. Leider war es auch für die bekannten und vielfach ausgezeichneten erlesenen „Pralinen-Spezialitäten“ einfach zu warm.
Für uns hieß es Abschied nehmen von Weil der Stadt mit seiner historischen Altstadt, den vielen Brunnen, der Fasnet, dem Kepler-Museum und auch vom Cafe Renz. Ein wunderbarer Ausflug mit der OECONOMICA ging zu Ende, die S-Bahn brachte uns wieder zurück und alle waren sich einig: Das war ein toller Tag!
(Hans Hübner v/Probus)