152. Stiftungsfeier des Corps Rhenania im WSC an der Universität Stuttgart
Was haben wir RVC’ler mit dem Corps Rhenania zu tun?
Ganz einfach:
Professor Dr. Helmut Braitinger ist nicht nur Dozent an der Hochschule Esslingen – Standort Göppingen – sondern hat sein Erststudium in Esslingen absolviert; sein Zweitstudium in Stuttgart.
Professor Braitinger ist Consemester unseres VB Karlheinz Menten v. Zügle
und inzwischen auch EAH der Verbindung Suevia und der Technischen Verbindung Arminia. Auf vielen Kneipen und auch auf RVC-Veranstaltungen ist Prof. Braitinger vertreten. Da ist es eigentlich ganz normal, dass er uns auch zu Veranstaltungen seines Corps Rhenania einlädt. Zusammen mit Verbandsbrüdern wie Pneu, Piccard, Amati, Pablo (Suevia) war ich schon einige Male bei einer Rhenanen-Veranstaltung.
So auch diesmal zur 152. Stiftungsfeier zusammen mit Arminen, Oeconomen und Sueven.
Der Kommers läuft etwas anders als bei uns. Lockerer.
Zunächst: Es war ein gefüllter Raum im Hause des WAC in der Mörikestraße in Stuttgart. Die Chargen des Corps Rhenania an der Frontseite der drei Tischreihen. Einige Gäste in Pekeschen. Sonst alle Teilnehmer in Vollcouleur und dunklem Anzug. Nach der Eröffnung wurden zwischen den Canti die anwesenden Corps-, Verbands- und Farbenbrüder begrüßt. Dazwischen immer Colloquien, die Raum für Gespräche mit dem Nebenmann oder dem Gegenüber boten. Statt Schmollis und Fiducit wurde dem Präsidium mit Prosit oder Prost zugetrunken. Es gab einige Vertreter-Reden und Grußworte.
Der Vorsitzende des Corps Rhenania, Herr Hans-Joachim Maier, hielt eine, wie ich meine bemerkenswerte Rede, die ich hier gerne wiedergebe.
Ich zitiere:
Hohes Präsidium, liebe Corpsbrüder, sehr geehrte Gäste,
normalerweise wird an dieser Stelle über die Gegenwart gesprochen und über einen Ausblick in die Zukunft. Wenn man aber sieht, was seit Monaten in Baden-Württemberg und vor allem in unserem Stuttgart passiert und in der Landtagswahl endete, dann vergeht einem die Freude einen Blick nach vorne zu wagen. Darum habe ich zunächst nach positiven Aspekten in der Vergangenheit gesucht und diese in den Tagen gefunden, in denen das Hambacher Schloss im Mittelpunkt deutscher Geschichte stand.
„Hinauf, hinauf zum Schloss“ waren die Worte, die 1832, vor 179 Jahren, Bürger aller Couleur, antrieben, ein Fest für die Freiheit zu feiern. Damals waren diese Tage die Wiege der deutschen Demokratie und ein Meilenstein zur nationalen Einheit und der Anerkennung, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Das waren Vorkämpfer für die Achtung der Menschenwürde, für die gleichen Rechte der gesamten Bevölkerung, für die Freiheit der Presse, der Rede und der politischen Vereinigungen. Ihnen verdanken wir mit, dass sich unser Volk im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt bekennt.
Weitsichtig forderten Redner des Hambacher Festes auch die Neugestaltung Europas, auf der Grundlage der Selbstbestimmung freier und gleichberechtigter Völker.
Historiker sehen die geistigen Wurzeln des einigen Europas unserer Zeit auch im Hambacher Fest. Zwar wurde damals der günstige Moment verpasst und die historisch Chance vertan, aufgrund kleinlich zögernden Handelns, die teils bedrückenden Verhältnisse in Deutschland damals schon tatkräftig aufzusprengen. Leider fehlte es den anwesenden Patrioten wohl an Kompetenz im Namen von ganz Deutschland eine Revolution zu beginnen.
Ein Zeuge dieser historischen Tage war Heinrich Heine. Er sagt am 27. Mai 1832 die Worte: „Jene Hambacher Tage waren der letzte Termin, den die Göttin der Freiheit uns gewährte“.
Auch wenn der erhoffte Erfolg zunächst nicht eintrat, bedeutete das Fest von Hambach trotzdem für Heine einen großen Forschritt, insbesondere wenn man es mit dem Wartburg-Fest (18./19. Oktober 1817) vergleicht. „Nur in Außendingen, in Zufälligkeiten, sind sich die beiden Bergfeiern sehr ähnlich; keineswegs ihrem tieferen Wesen nach. Der Geist, der sich auf Hambach aussprach, ist grundverschieden vom dem Geiste oder vielmehr von dem Gespenst, das auf der Wartburg seinen Spuk trieb. Dort, auf Hambach, jubelte die moderne Zeit ihre Sonnenaufgangslieder, und mit der ganzen Menschheit ward Brüderschaft getrunken.“
Auf der Wartburg hingegen herrschte laut Zeitzeugen jener beschränkte Teutomanismus, der viel von Liebe und Glaube sprach, dessen Liebe aber nichts anders war als Hass des Fremden, und dessen Glauben nur in der Unvernunft bestand und der in seiner Unwissenheit nichts Besseres zu erfinden wusste, als Bücher zu verbrennen.
Aber was haben die Tage vor fast 180 Jahren mit unserem heutigen Geburtstag zu tun?
1832 zogen 30.000 Abgeordnete, Bürger, Juden, Bauern und Winzer, Deutsche, Franzosen und Polen in ihrer Hoffnung auf Freiheit auf dem gleichen Weg hinauf zum Hambacher Schloss. Und mittendrin fahnenschwenkend und farbentragend waren cirka 300 Verbindungsstudenten.
Das Hambacher Fest war, wenn man die Festteilnehmenden betrachtet, wirklich ein deutsches Nationalfest, und die Anwesenheit ausländischer Gäste machte deutlich, dass die Ziele, die in Hambach für Deutschland proklamiert werden sollten, die gleichen waren, denen die liberalen und nationalen Kräfte in Frankreich und Polen zustrebten.
Eine Briefmarke, 2007 anlässlich der 175. Jahrfeier herausgegeben, zeigt den Zug auf den Berg – die Deutschlandfahne in schwarz-rot-gold vorne an. Farben, die damals zum Symbol der Freiheit erkoren wurden, und die nach dem Hambacher Fest verboten wurden.
Eine Fahne aus dieser Zeit, man spricht von der ältesten Fahne in den deutschen Farben, kann heute auf dem Schloss besichtigt werden.
Dabei kann man auch lesen, dass diese Farbgebung seit 1816 von Burschenschaften gewählt wurde mit den folgenden Bedeutungen: Schwarz für die Gegenwart – Rot für das Blut des Kampfes für eine bessere Zukunft – Gold für die Morgenröte.
Der Initiator dieses Festes, Dr. Wirth, hatte in der Festrede gesagt, ich zitiere:
„Darum, deutsche Patrioten, wollen wir die Männer wählen, die durch Geist, Feuereifer und Charakter berufen sind, das große Werk der deutschen Reform zu beginnen und zu leiten.
Zitatende.
Das pure Gegenstück zu dieser Veranstaltung, in der eine Aufbruchstimmung in friedlicher Mission herrschte, die gespickt war mit markanten und zukunftsweisenden Reden, und wie zu lesen ist, auch verbunden war mit Genüssen, Liedern und Bier, erleben wir seit Monaten in unserem schönen Stuttgart. Man zieht nicht mehr den Berg hinauf und trägt die Argumente auf einer niveauvollen Ebene aus, sondern man hockt in Bäumen, zerstört Allgemeingut und reduziert seine Argumentation auf laute wiederkehrende Parolen.
Dies hat mit der Freiheit, die unsere Vorfahren, unter anderem in Hambach, forderten, nichts zu tun.
Auch wenn man dem neuen Parlament einen guten Anfang testiert und sich Herr Kretschmann bestärkt fühlen kann, müssen wir die Zukunft in unserem Land kritisch betrachten.
Das neue Parlament muss sich jetzt erstmal beweisen, und zeigen, dass alles Angstgeunke und ideologische Gerede unbedeutend ist und politische Normalität Einzug halten kann.
Sollte dem nicht so sein, dann sollten alle Schichten der Bevölkerung aufgeweckt werden. Es muss dann nicht gleich ein Zug auf den Hambacher Berg organisiert werden.
Aber zumindest wir vom Relenberg (Anm. „Haus des Corps Rhenania“) also die Rhenanen) sollten danach trachten, dass das auch in Zukunft Bestand haben wird, das unser Land zu Innovationen und Wohlergehen geführt hat:
„Geist, Feuereifer und Charakter“.
Und wenn die neuen Parlamentarier dies nicht schaffen, dann sollten wir und damit meine ich auch alle Corps, die Stimme erheben.
Bevor ich auf das Wohl der Rhenania das Glas erhebe, noch einige Anmerkungen zum Hambacher Schloss. Ein Besuch dieses Schlosses und seiner Dauerausstellung ist sehr lohnenswert, zumal auch das Verbindungswesen Teil der Exponate ist und in einem sehr positiven Licht dargestellt wird.
In der Nähe von Neustadt an der Weinstraße gelegen, kann es binnen 1,5 Stunden erreicht werden.
Ich trinke auf die Zukunft unserer schönen Stadt, auf die Zukunft unserer Rhenania und auf einen harmonischen Verlauf unseres Kommerses.
Mit corpsbrüderlichen Grüßen
Soweit die Rede des Vorsitzenden des Corps Rhenania Hans-Joachim Maier.
Herbert Rübling v. Franke