Vorwort der Redaktion

In der Nacht zum 21.08.1968 marschierten eine halbe Million Soldaten der Sowjetunion, aus Polen, Ungarn und Bulgarien in die Tschechoslowakei ein. Innerhalb weniger Stunden waren alle strategisch wichtigen Punkte besetzt. Die USA konnten von ihren Radarstationen im bayrischen Wald die fast pausenlose Landung sowjetischer Kriegsflugzeuge beobachten. Zwei Divisionen der NVA wurden dem sowjetischen Oberkommando unterstellt und an die Grenze zur Tschechoslowakei verlegt. Außerdem wurde mindestens eine weitere sowjetische Division aus Kasachstan in die DDR verlegt. Letzteres steht in keinem Geschichtsbuch. Mir wurde es von einem Spätaussiedler erzählt, der damals Soldat in der Sowjetarmee war und dank seiner Deutschkenntisse wusste wo er war. Ihm und seinen Kameraden wurde erzählt, sie würden an einer Großübung in einer anderen Sowjetrepublik teilnehmen!

Und wie reagierten die USA? Wer in dieser Zeit auf der Autobahn von Ost nach West fahren wollte, musste auf die Landstraßen ausweichen. Die Autobahnen waren streckenweise für die amerikanischen Militärkolonnen in beide Fahrtrichtungen gesperrt, damit diese in 4 Spuren in den "Bereitschaftsraum" fahren konnten. Daneben liefen die diplomatischen Gespräche auf Hochtouren. Ein Vorrücken der Sowjetarmee bis zur Adria musste vermieden werden. Der US-amerikanische Botschafter in Belgrad versprach Tito die Unterstützung und machte dazu die klare Aussage, dass ein sowjetischer Einmarsch in Jugoslawien von den USA unter keinen Umständen toleriert würde. Jugoslawien wurde militärische, wirtschaftliche und politische Hilfe versprochen. Die Sowjetunion wurde von den USA scharf gewarnt. Auch den Einsatz von Atomwaffen wolle man im Falle einer sowjetischen Besetzung von Jugoslawien nicht ausschließen.

Der sowjetische Einmarsch in die Tschechoslowakei hatte die Situation des Kalten Krieges verschärft. Ein US-amerikanischer Truppenabzug aus Westeuropa rückte in weite Ferne. Die Verlagerung des Kräftegleichgewichts bestimmte das Sicherheitsdenken in Europa noch für viele Jahre.

Rolf Mayer v/ Orgler


Heute vor 49 Jahren

01.10.1968. Hauptbahnhof Stuttgart Gleis 1. Hier steht abfahrbereit der Sonderzug nach Roth bei Nürnberg. Ich werde hier einsteigen. Auf mich warten 18 Monate bei der Bundeswehr, Luftwaffe. Beginnend mit 3 Monate Grundausbildung, danach geht es für einen Monat auf Ausbildung zum Nachschubbuchführer in Erding.

Es folgen 14 Monate Flugkörpergruppe (Pershing) in Kaufbeuren, technischer Dienst. Wir waren eine Vorzeigekompanie. Unser Kompaniechef war Hauptmann W-D v. R., sein Stellvertreter Hauptmann B., beide ausgebildete Ingenieure. Unsere Feldwebel hatten alle einen Meistertitel. Die Wehrpflichtigen hatten alle Abitur oder Mittlerer Reife und Berufsausbildung. Der Umgangston untereinander war ziviler Natur. Das schweißte auch bei Feldübungen und Nato-Alarmen die Kompanie zusammen. 1968 waren das Gewehr G3 und die Magazine nicht in der Waffenkammer, sondern im eigenen Spind in der Bude (vier Mann). Der Grund: Der „Prager Frühling", der Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei.

Ich wurde als Wehrpflichtiger von meinen Kameraden zum Kompaniesprecher gewählt. Das war nicht immer einfach. Wir hatten Kameraden mit Problemen. Und da musste ich vermitteln zwischen Kompaniechef und den betroffenen Wehrpflichtigen bzw. deren Ehefrauen.

Damals hatten wir eine gut gerüstete Bundeswehr mit nahezu 750 000 Mann und dazu noch zivile Angestellte. Heute sieht es anders aus. Die Bundeswehr ist heute trotz zunehmender Aufgaben und vielen Auslandseinsätzen eine kleine Truppe mit nicht adäquater Ausrüstung. Das überfordert die Soldaten. Viele unserer Politiker haben das Problem aber offenbar nicht wahrgenommen.

Meine Meinung hierzu ist folgende: Wir sollten wieder die Wehrpflicht einführen und parallel dazu den Ersatzdienst (beide 18 Monate)! Die Truppenstärke sollte auf 750 000 Mann angehoben werden. Die Anzahl an Panzern, Schiffen und Flugzeugen sollte verdreifacht werden. Den Einsatz von Kampfdrohnen halte ich für absolut notwendig, ebenso auch deren technische Weiterentwicklung.

Natürlich ist ein Ersatzdienst in Krankenhäusern, Altenheimen und ähnlichen Einrichtungen ebenfalls dringend notwendig. Auch wenn es mancher nicht gern hören möchte: „Ich bin stolz darauf, dass mein Urgroßvater, Großvater und Vater in den deutschen Armeen gedient haben!“ Ich wurde in Kaufbeuren gefragt, ob ich Berufsoffizier werden wollte. Ich habe das damals abgelehnt, was ich aber heute bereue.

Hinzu kommt die Entwicklung in allen technischen Bereichen. Wir leben in einer sich ständig veränderten Welt und auch mit Staatsmännern, deren Handeln auf keiner rationalen Grundlage beruht und es sich deshalb nicht mehr wirklich eingeschätzen lässt. Deutschland braucht keine Atomwaffen. Wir müssen aber jederzeit in der Lage sein, einen eventuellen atomaren Angriff mit einem Schutzschild abzuwehren.

Rolf-Dieter Lembeck v/ Famulus AH X