Besuch des Lindenmuseums am 17. Sept. 2011

Wie oft sind wir schon am Hegelplatz in Stuttgart vorbei gefahren und haben gesagt: “Das Linden-Museum sollten wir unbedingt auch wieder mal besuchen.” Aber wie es so geht, immer wieder kam etwas dazwischen. Deshalb haben wir uns sehr gefreut, als wir vom AHP-Präsidium die Einladung zum Besuch des Linden-Museums bekamen. Das Thema “Japan und Ostasien” klang sehr interessant. Bei unserer Ankunft am Linden-Museum hatte sich schon eine stattliche Zahl von Bundesbrüdern mit ihren Damen im Foyer eingefunden und harrte der Dinge, die da kommen sollten.

Doch zuerst ein kleiner Abriss über die Geschichte des Linden-Museums. Stuttgart blickt in diesem Jahr auf “100-Jahre Linden-Museum” zurück. Im Jahre 1882 hatte eine Gruppe von Wirtschaftsvertretern den “Württembergischen Verein für Handelsgeographie und Förderung Deutscher Interessen im Ausland e.V.” gegründet. Namhafte Firmen wie BASF, Märklin, Mauser und WMF gehörten neben einer Reihe von mittelständischen Unternehmen als Mitglieder dem Verein an. Durch Vorträge und Veröffentlichung von Fachliteratur und Kartenmaterial sollten die württembergischen Unternehmen mit Rat und Tat unterstützt werden. Besonders durch die Gründung eines “Handelsgeographischen Museums” sollten der heimischen Wirtschaft Anregungen gegeben werden, wo Waren günstig zu erwerben sind und wo umgekehrt europäische Industrieprodukte im Ausland abgesetzt werden könnten. Das im Entstehen begriffene Museum war also als eine Art “Entwicklungshilfe” für die eigene Wirtschaft gedacht. Der Verein bat im Ausland lebende Württemberger um Zusendung von geeigneten Stücken nach Stuttgart, doch in den ersten Jahren war der Erfolg sehr mäßig. Eine erste Dauerausstellung wird 1889 in der Stuttgarter Gewerbehalle eingerichtet mit archäologischen Funden, botanischen und zoologischen Präparaten und Exponaten aus dem Naturalienkabinett, einer “Kuriositäten-Sammlung” wertvoll erscheinender fremdartiger Stücke aus aller Welt.

Im Jahr 1889 bekommt der “Württembergische Verein für Handelsgeographie” einen neuen Vorsitzenden: “Karl Graf von Linden”. Karl von Linden wurde 1838 in Ulm geboren, studierte Jura und trat 1881 in den Hofdienst ein. König Karl I. von Württemberg ernannte ihn 1888 zum “Oberkammerherrn”. Mit Graf von Linden kam neuer Schwung in die Sammeltätigkeit. Zum Wohle des Vereins brachte er neben seinem eigenen Vermögen drei wichtige persönliche Eigenschaften ein: Diplomatisches Geschick, beste Beziehungen zum Königshaus und ein reges Interesse für die noch junge Wissenschaft “Völkerkunde”.

“Seine Majestät König Wilhem II. von Württemberg” sagte offiziell seine Unterstützung zu und überließ dem Verein Bestände aus seinen eigenen Sammlungen und auch aus Landesbesitz. Graf von Linden sprach nun von einem Plan für ein “Museum für Länder- und Völkerkunde”. Es sollte nach seinen Worten die materielle Kultur und die Sitten und Gebräuche anderer Völker den Besuchern näher bringen und einführen in das Leben, Fühlen und den Glauben dieser Menschen. Das Museum sollte den Sinn für das Schöne wecken und zum Abbau von Vorurteilen gegenüber Kulturen aus fremden Welten beitragen.

Wir befinden uns in der Blütezeit des deutschen Kolonialismus. Ostafrika, Teile Westafrikas mit Kamerun und Togo, Kiautschau in China, die Karolinen-Inseln, Samoa und teilweise auch Neuguinea waren deutsche Kolonien. Karl von Linden erkannte schon Mitte der 1890er Jahre, dass diese Kulturen durch die koloniale Expansion in ihrem materiellen Bestand gefährdet waren. An deutschen Universitäten etablierte sich die “Völkerkunde” als eigene Wissenschaft. Nahezu alle großen deutschen und ausländischen Forscher wie Erich von Drygalski, Georg Wegener, Max Eyth, Leo Frobenius, Sven Hedin und Roald Amundsen ludten Graf von Linden nach Stuttgart zu Vorträgen ein. Karl von Linden plante ein eigenständiges Museum für Länder- und Völkerkunde, ein “Archiv der Menschheitskulturen”. Die materiellen Überreste zerstörter Kulturen sollten hier konserviert werden.

Bemerkenswert ist es, dass Graf von Linden nicht nur aus den deutschen Kolonien Sammlungsgut anwarb. Große Sammlungen stammten aus Nord- und Südamerika, aus den verschiedensten Teilen Afrikas, aus Australien, Polynesien, Indonesien und Tibet. Für viele Sammler gab es ein ganz persönliches Motiv, Ethnographika nach Stuttgart zu schicken: die Aussicht auf einen Orden. Man schenkte die Sammlung dem württembergischen König, der sie an Graf von Linden weiterleitete. Dieser regt dann, je nach Qualität der Stücke, die Verleihung eines entsprechenden Ordens an den Spender an.

Anfangs des 20. Jahrhunderts hatten die Sammlungen des “Vereins für Handelsgeographie” mit rund 50.000 Objekten einen beachtlichen Umfang angenommen. Der Platz in der Gewerbehalle reicht nicht mehr aus. Karl von Linden will nun seinen lange gehegten Plan verwirklichen: den Bau eines eigenen Museums-Gebäudes. Sehr geschickt appellierte er an patriotische, im Ausland reich gewordene Württemberger. Denn wenn es gilt, zum allgemeinen Besten etwas Großes zu schaffen, dann hat der Sinn der Schwaben nie versagt. Dank günstiger Zeitumstände und durch den unermüdlichen Sammeleifer des Grafen gelang es in wenigen Jahren das Geld für einen repräsentativen Museums-Neubau am Hegelplatz zusammenzutragen. Graf von Linden bezeichnete sich in dieser Zeit selbstironisch als “Bettler von internationalem Format”. Er selbst brachte fast sein ganzes Vermögen in den Museumsbau ein.

Am Ziel seiner fast 20-jährigen Arbeit sollte nun endlich “sein Museum” entstehen. Doch die Eröffnung durfte er nicht mehr erleben. Graf von Linden starb im Januar 1910 im Alter von 71 Jahren, wenige Monate nach Baubeginn. Am 28. Mai 1911 weihte König Wilhelm II. von Württemberg das “Völkerkunde-Museum” am Hegelplatz ein. Sehr schnell wurde es zum Lieblingsmuseum der Stuttgarter Bevölkerung. Und es war klar, dass dieser Bau nur einen Namen tragen konnte: “Linden–Museum”. Die enorme Schaffenskraft, der Fleiß und die Tüchtigkeit des Grafen Karl von Linden haben ein Museum entstehen lassen, das heute zu den führenden seiner Art in Europa gehört. 160.000 Ausstellungsstücke, darunter viele Spitzenobjekte von internationalem Rang, ermöglichen einen tiefen Einblick in die Kunst-, Kultur- und Alltagsgeschichte von Menschen aus allen Kontinenten. Das Linden-Museum führt seine Besucher auf eine Weltreise rund um den Globus und vermittelt die Schönheit und Faszination menschlicher Kultur. Es fördert die Neugier und die Offenheit für das Fremde und für das Verstehen anderer Lebensweisen.

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 Auch uns OECONOMEN hat dieses Museum fasziniert. Frau Hüge, unsere Leiterin durch den Bereich Japan und Ostasien, hat uns in hervorragender Weise in diese für uns meist sehr fremde Kultur eingeführt. Sie hat so lebendig und einprägsam von dieser geheimnisvollen und doch wieder so klaren Lebensweise berichtet, dass wir uns fühlten, als säßen wir mitten in einer japanischen Tee-Zeremonie. Beim anschließenden Rundgang durch die Ostasien-Abteilung hat uns Frau Hüge vieles über das Leben in Japan erzählt. Sei es bei der Besichtigung des Inneren eines traditionellen japanischen Wohnraumes oder bei der Betrachtung einer Hängerolle, einer Buddha Trinität oder den Figuren mit buddhistischen Wächtern oder Erdgeistern oder einem reich verzierten Weinbecher.


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Mit ihren sehr anschaulichen Erklärungen hat sie uns ein Stück japanischer und ostasiatischer Lebenskunst vergangener Jahrhunderte näher gebracht. Es hätte noch so viele tolle Ausstellungstücke zur Besichtigung gegeben, aber die Zeit verging wie im Flug und wir mussten uns von Frau Hüge mit einem herzlichen Dankeschön verabschieden.

Noch ganz erfüllt von den vielen Informationen und Eindrücken bei unserem Besuch im Linden-Museum machte sich ein Teil der Oeconomen mit ihren Damen auf den Weg zu unserer Constanten, dem Hotel Sautter in der Johannes-Straße. Der Gang durch den „Hoppenlau-Friedhof“ stellte dabei noch einen weiteren Höhepunkt des Tages dar mit den Grabsteinen von vielen bekannten Persönlichkeiten, wie z.B. Johann Friedrich Cotta, Johann Heinrich von Dannecker, Wilhelm Hauff oder Gustav Schwab. Dafür wäre eigentlich schon wieder eine eigene Führung notwendig. Beim abschließendem gemütlichen Beisammensein im Hotel Sautter ließen wir den Tag bei feinen leiblichen Genüssen ausklingen.

Herzlichen Dank an unseren Präsiden, BB Rolf-Dieter Lembeck v/Famulus, der diesen Besuch im Linden-Museum so hervorragend organisiert hat.

Hans Hübner v/ Probus

 

Quellen:

Württemberg-Reporter Ausgabe Sommer/Herbst 2011

Der Spiegel. Zeitschriftenreihe "Geschichte." Nr. 5/2011